Hauptinhalt

Rotmilanprojekt

Für den Greifvogel mit dem rostrot Gefieder und dem gegabelten Schwanz hat Deutschland eine besondere Verantwortung. Fast 50 % des Weltbestandes brütet hier. Doch für die typische Offenlandart wird vor allem zur Brutzeit die Nahrung immer knapper. Auf Äckern, Wiesen und Weiden sucht der Rotmilan im Überflug nach Beute, wie Kleinsäuger oder Feldvögel. Zur Aufzuchtzeit von Mai bis Juni sind jedoch viele Landwirtschaftsflächen für ihn nicht nutzbar, da die Kulturen so dicht und hoch stehen, dass Beutetiere nicht zu entdecken sind. Lange Nahrungsflüge zerren an der Kondition der Eltern und lassen die Jungen ungeschützt, vor anderen Greifvögeln und Raubsäugern im Nest zurück.

Seit Beginn des Jahres 2011 werden im Rahmen des Bundesprogrammes „Biologische Vielfalt“ Vorhaben mit bundesweit repräsentativer Bedeutung gefördert. Für die Umsetzung der „Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt“ sind dabei unter anderem Arten relevant, für die Deutschland eine besondere Verantwortung besitzt. Dies trifft für den Rotmilan zu. Zwischen 1994 und 2005 entwickelten sich die Bestände des Rotmilans zudem so negativ, dass er als Art mit europäischer Schutzrelevanz (SPEC-Art) vom günstigen in einen ungünstigen Erhaltungszustand rutschte.

Das Projekt Rotmilan – Land zum Leben von 2013 bis 2019 ist ein bundesweites Vorhaben zum Erhalt des Rotmilans und zur Verbesserung seiner Lebensbedingungen. In neun Modellregionen in sieben Bundesländern werden die Land- und Forstwirtschaft sowie kommunale Partner zu rotmilanfreundlicher Landnutzung und den Bedürfnissen dieses ganz besonderen Vogels beraten. Des Weiteren werden der Bestand und der Bruterfolg des Rotmilans in den Projektregionen erfasst. Hauptziele des Projekts sind, die Nahrungsverfügbarkeit für den Greifvogel auf landwirtschaftlichen Flächen und die Brutbedingungen in Wäldern und Gehölzen zu verbessern.

Koordiniert wird das Projekt durch den Deutschen Verband für Landschaftspflege e. V. (DVL). Der Förderverein Sächsische Vogelschutzwarte Neschwitz e. V. betreut in Ostsachsen eine von neun Praxisregionen.

Das Projekt ist ein bundesweites Verbundvorhaben mit insgesamt 12 Partnern.

Die 9 Praxispartner aus 7 Bundesländern setzen in insgesamt 9 Projektgebieten die Aufgaben des Gesamtprojektes vor Ort um, beraten Landwirtschaftsbetriebe und etablieren Praxismaßnahmen.

Für den Rotmilan können wir nur gemeinsam bessere Lebensbedingungen schaffen. Die Beratung von Land- und Forstwirtschaft sowie Kommunalen Partnern sensibilisiert diese im Umgang mit dem Rotmilan und seinen Bedürfnissen. Gleichzeitig dient sie den Naturschützern als Rücklauf, was geht und was nicht geht. Denn nur Maßnahmen, die in den Betriebsablauf passen oder eine entsprechende Honorierung des Mehraufwandes haben, können erfolgreich umgesetzt werden.

Geeignete Maßnahmen

Eine unserer Ansicht nach besonders effektive Maßnahme zur Verbesserung des Nahrungsangebotes und der Nahrungsverfügbarkeit ist der Anbau und die Schnittnutzung von Luzerne als mehrjährige Feldfutterpflanze. Mehrfachnutzung und geringe Vegetationshöhen nach der Ernte stellen sicher, dass Rotmilane die auf den Luzernefeldern lebenden Kleinsäuger erbeuten können. Auch in trockenen Jahren hat sich die Luzerne bewährt. Durch ihre tiefen Wurzeln waren diese Flächen oft noch das einzige Grün in einer vertrockneten Feldflur.

Um eine langfristig stabile Nahrungsverfügbarkeit zu erreichen, sind aber auch Rückzugsräume für Kleinsäuger wie Brachen, Blühflächen oder Schonstreifen sehr wichtig. Diese dienen gleichzeitig einer Vielzahl an weiteren Arten wie Singvögeln oder Insekten der Feldflur als Nahrungs- und Brutrevier.

Hier haben wir nochmal die nach unserem Verständnis besonders wertvollen Maßnahmen zusammengestellt:

  • Anbau mehrjährigen Feldfutters wie Luzerne, Klee und Ackergras und deren greifvogelgerechte Bewirtschaftung (mindestens zweimalige Schnittnutzung von Mai bis Anfang Juli)
  • Anlage von Strukturelementen wie Buntbrachen, Schwarzbrachen, Grünstreifen, und mehrjährigen Blühflächen/Blühstreifen
  • Umsetzung artenreicher Fruchtfolgen (mindestens 5 Kulturen, davon einmal kleinkörnige Leguminosen wie Klee, Luzerne, Klee-Gras-Gemische bei mindestens zweimaliger Schnittnutzung mit Biomasseentzug zwischen Mai und Juli)
  • Aufrechterhaltung der Grünlandbewirtschaftung durch Mehrfachschnittnutzung (alternativ Portionsweide) auf Wirtschaftsgrünland
  • extensive Grünlandbewirtschaftung durch Mahd und Beweidung auf naturschutzfachlich wertvollem Grünland
  • biotoptypengerechte Bewirtschaftung der naturschutzfachlich wertvollen Dauergrünländer, insbesondere aller grünlandähnlichen Kulturbiotope, die Lebensraumtypen darstellen.

Brutbestand und Reproduktion

Der Brutbestand war mit rund 11 Brutpaaren (BP) pro 100 km2 über alle Jahre gesehen in den Projektregionen stabil. Es gab jedoch regional große Unterschiede in den Populationsdichten. Im Nordosten waren teilweise mehr als 10 Brutpaare auf 100 km2 weniger als in den Projektregionen in der Mitte von Deutschland. Dies kommt durch unterschiedliche Brutbedingungen, wie Verfügbarkeit von Brutplätzen, Nahrung, Konkurrenz oder Prädationsrate zustande.

Der Reproduktionserfolg weist sowohl regionale als auch jährliche Unterschiede auf. So hatte z. B. die Uckermark den geringsten Erfolgsanteil mit rund 50 % über alle Jahre. Wohingegen die rund 90 Kilometer entfernte Mecklenburger Endmoräne mit über 70 % mit den höchsten Erfolgsanteil aufwies. Beide Projektregionen haben jedoch mit 6,4 BP/100 km2 (Uckermark) und 6,2 BP/100 km2 (Endmoräne) einen ähnlichen Brutbestand. Dies deutet auf unterschiedliche landschaftliche Bedingungen hin. Jährliche Unterschiede scheinen hingegen häufig auch witterungsbedingt zustande zu kommen.

Da die Gesamtfläche der Projektregionen mit 2.239 km2, immerhin 0,64 % der Fläche der Bundesrepublik Deutschland beschreiben, kann man davon ausgehen, dass die Ergebnisse die aktuellsten Entwicklungen zu Brutbestand und Reproduktion des Rotmilans repräsentativ wiederspiegeln.

Projektregion Ostsachen

Die 63 von uns beratenen Betriebe haben insgesamt im Projektzeitraum ca. 5.000 Hektar Acker- und Grünland rotmilanfreundlich bewirtschaftet. Die meisten Flächen (38 %) wurden über AUKM beantragt und am häufigsten wurde hierbei Maßnahmen für Ackerbrachen umgesetzt. Ohne Förderung konnte nach Absprachen häufig mehr Ackergras angepflanzt, sowie die Schnittnutzung für den Rotmilan angepasst und z. B. eine Staffelmahd durchgeführt werden. Auch im Greening konnten Flächen rotmilanfreundlich bewirtschaftet werden. Dabei wurden meist kleinkörnige Leguminosen angepflanzt. 

In den sechs Jahren sind bei 166 erfolgreichen Bruten, was rund 70 % der Brutpaare insgesamt sind, 316 Jungvögel groß geworden und ausgeflogen. Über alle Jahre konnte ein stabiler Brutbestand in der Region festgestellt werden und einer Abundanz von 10 Brutpaaren pro 100 km2.

/

2017: Luzica Milch- und Rindfleisch GmbH, v.l.: M. Koreng (Luzica), K. Eils (Förderverein), S. Siegel (Förderverein))

2017: Luzica Milch- und Rindfleisch GmbH
/

2018: Hof Domanja v.l. M. Domanja (Domanja), S. Siegel (Förderverein)

2018: Hof Domanja
/

2019: Großdrebnitzer Agrarbetriebsgesellschaft mbH v.l.: U. Grothey (LPV), R. Schwarzelühr-Sutter (Staatssekräterin), P. Marquardt (Großdrebnitzer), S. Hensel (Großdrebnitzer), K. Eils (Förderverein), Dr. W. Nachtigall (Förderverein)

2019: Großdrebnitzer Agrarbetriebsgesellschaft mbH
/

2019: Staatsbetrieb Sachsenforst Forstbezirk Oberlausitz, v.l.: U. Grothey (LPV), R. Schwarzelühr-Sutter (Staatssekräterin), F. Stubenrauch (Sachsenforst), K. Eils (Förderverein), Dr. W. Nachtigall (Förderverein)

2019: Staatsbetrieb Sachsenforst Forstbezirk Oberlausitz

Viele land- und forstwirtschaftliche Betriebe sowie Kommunen haben uns bei unserer Arbeit unterstützt. Vier davon konnten wir als rotmilanfreundliche Betriebe auszeichnen. Sie haben sich sehr für die Verbesserung der Nahrungsverfügbarkeit, ob durch Anbau von Luzerne, Umstellung zum Biobetrieb oder Anpassung der Mahd sowie den Nestschutz, z. B. durch Einrichtung von Schutzzonen eingesetzt. Wir bedanken uns für Ihre tatkräftige Unterstützung zum Schutz des Rotmilans.

Welchen Effekt die Maßnahmen auf den Rotmilanbestand insgesamt haben, lässt sich trotz aller Untersuchungen nur schwer abschätzen. Dafür spielen noch zu viele weitere Faktoren wie beispielsweise menschgemachte und natürliche Sterblichkeit, aber auch Zu- und Abwanderung eine Rolle. Für die im Projekt beratenen Maßnahmen lässt sich aber sagen, dass sie den Rotmilanen und mit ihm vielen weiteren Arten in Ihrer Region nutzen.

Derzeit laufen die Gespräche über die Neureglung der GAP sowie über neue AUK-Maßnahmen. In den einzelnen Bundesländern wurden die Erkenntnisse aus dem Rotmilanprojekt mit den dafür zuständigen Ministerien erörtert, um so geeignete Maßnahmen zum Erhalt dieser wichtigen Offenlandart zu schaffen.

/
(© W. Nachtigall)

Rotmilane lassen sich im Flug gut an den weißen Flecken auf der Flügelunterseite und an ihrem gegabelten Schwanz erkennen.

Rotmilane lassen sich im Flug gut an den weißen Flecken auf der Flügelunterseite und an ihrem gegabelten Schwanz erkennen.
/
(© W. Nachtigall)

Rotmilanfamilie auf dem Nest

Rotmilanfamilie auf dem Nest
/
(© Archiv Förderverein)

Rotmilane sind häufig bei der Ernte anwesend, um nach Nahrung zu suchen

Rotmilane sind häufig bei der Ernte anwesend, um nach Nahrung zu suchen
zurück zum Seitenanfang